Ein Kultursoziologe über die innere Struktur der Olympischen Spiele in London
In ein paar Tagen ist es wieder soweit mit dem Eröffnungszeremoniell starten die Olympischen Spiele in London. Wir haben ausnahmsweise keinen Sportler sondern einen Kultursoziologen gefragt, was Olympia bedeutet und haben dabei spannende Ausführungen erhalten. Aber lesen Sie selbst.
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Sie sind Soziologe was bedeutet Olympia für Sie?
Sacha Szabo: Zuerst einmal ist es für mich ein mediales Ereignis, dessen Unterhaltungswert natürlich auch mich vor den Fernseher bannt. Aber Olympia ist für mich auch noch mehr. Es heißt ja Olympische Spiele. Es ist eben mehr als nur akkumulierte Weltmeisterschaften. In meinen Arbeiten zeigte ich, wie eng Spiele und Rituale zusammenhängen. Und diese Phänomene sind eng mit dem Bereich des Sakralen und des Spirituellen verbunden.
Sie unterscheiden also Sport und Spiele?
Sacha Szabo: Ja auf jeden Fall. Der Sport, so meine Deutung, ist dem Spiel kulturell weit hinten an gelagert. Zuerst waren Spiele da. Es ging bei den frühen Olympischen Spiele nicht nur um das Gewinnen, das natürlich auch, aber es ging um viel mehr. Geht es beim Sport um Leistungsmessung, so ging es bei den Spielen darum, dass jeder Teilnehmer ein ganz persönliches Opfer der obersten Gottheit darbringt, nämlich seine absolute Spitzenleistung.
Das ist doch heute genauso.
Sacha Szabo: Nun ja, die Frage wäre was etwa die oberste Gottheit ist. Bei den modernen Olympischen Spielen ging es ja letztlich um ein politisches Projekt. Was auch durch die Olympischen Ringe ausgedrückt wird, nämlich Völker zu verbinden.
Was ist daran jetzt schlecht?
Sacha Szabo: Daran ist gar nichts schlecht, aber es ist keine spirituelle Handlung mehr, sondern eine politische. Und so werden die Olympischen Spiele ja auch von der Politik nicht selten mißbraucht. Olympische Siege waren Siege des jeweiligen politischen Systems. Das hat nicht mehr den ursprünglichen Geist nämlich ein Opfer zu bringen.
Aber die politischen Lager haben sich ja aufgelöst, damit hinkt ihre Argumentation doch.
Sacha Szabo: Was die politischen Lager angeht hinkt der Vergleich, aber er hinkt eben nur so weit, als dass es jetzt immer noch ein Lager gibt, nämlich den Kapitalismus. Die Spiele werden immer kommerzieller, das ist ja die Klage, die die letzten Jahre ständig aufkam und parallel dazu verlangt man von den Sportlern Idealismus zu heucheln. Olympia ist ein einziges großes Geschäft geworden.
Das lässt sich ja bequem beklagen aber ändern lässt sich dabei nichts.
Sacha Szabo: Auf die Schnelle gesagt, ja man müsste hoffen, dass Olympia finanziell ein Misserfolg wird, dann haben wir es mit einer Art Geldvernichtung zu tun. Also ein riesiges Opfer in der einzigen Währung die der Kapitalismus kennt: in Geld. Aber so altbacken marxistisch muss die Lösung gar nicht aussehen. Der Clou des Opfers steckt viel tiefer in der Struktur. Natürlich hängen von einem Sportler das Prestige vieler Institutionen ab. Nation, Sponsor, Club. Entscheidend dabei ist aber die Leistung des Sportlers. Mit einem jahrelangen harten Training schafft der Sportler nämlich keinen materiellen Wert. Es ist ein reiner Mythos der gebildet wird und an diesen Mythos hängen nun finanzielle Interessen ohne zu sehen, dass überhaupt kein substantieller Wert dahintersteht. Im Kern ist Olympia das, was es immer schon war, reine Verschwendung von Spitzenleistung.
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