Verlosung: Heute (11.12.) verlosen wir das Buch „Willkommen in Ungarn – Auswanderungstipps vom Insider“ von Cornelia Rückriegel.
Heute (11.12.) verlosen wir das Buch „Willkommen in Ungarn – Auswanderungstipps vom Insider“ von Cornelia Rückriegel. Einfach eine Mail mit dem Stichwort „Ungarn“ senden an: info@Leseschau.de
Über die Autorin: „Die Autorin lebt seit mehreren Jahren in der ungarischen Puszta in der Nähe der Stadt Kecskemét. Ihr Interesse gilt der ungarischen Geschichte und Kultur, den liebenswerten Menschen in diesem schönen Land. Sie möchte mit diesem kleinen Ratgeber Menschen helfen, die sich für das Auswandern nach Ungarn interessieren und auf diese Weise möglichst vielen Leuten ihre Wahlheimat ein bisschen näher bringen.“
Das Buch gibt es zudem über die Leseschau-Seite:
https://www.leseschau.de/Buch/Willkommen-in-Ungarn-Auswanderungstipps-vom-Insider/30
Viel Spaß damit
wünscht das Team der Leseschau!
Autorin Cornelia Rückriegel hat zwei große Leidenschaften – Irland und Ungarn. Ihre Annie-Irland-Romane hatten wir bereits am 1.12. vorgestellt.
Heute möchten wir eine typische ungarische Geschichte vorstellen. Viel Spaß – Jó szórakozást!
DIE WEIHNACHTSGESCHICHTE
von Cornelia Rückriegel
Die Puszta Weihnachtsgeschichte
Weinend sitzt Jancsi der Hundehütte, die mageren Ärmchen ganz fest um den Hals seines besten Freundes geschlungen. Bodri spürt den Kummer des Jungen und leckt schnell mal mit seiner rauen Zunge tröstend über das kleine Gesichtchen. „Du bist einfach der Beste“, flüstert Jancsi in das struppige, schwarzbraune Fell. „Warum seid ihr Tiere so lieb und die Menschen sind so garstig?“ Mit Schaudern sieht er das zornrote Gesicht des Nachbarn vor sich, der ihn gerade unter wüstem Schimpfen von seinem Hof gejagt hatte. „Dabei ist doch heute Weihnachten, und da sollen sich doch alle liebhaben. Aber der Pista Bacsi kann noch nicht mal an Weihnachten lieb sein. Der ist immer nur einfach böse…“
Dabei hatte es der Jancsi doch nur gut gemeint. Erst gestern hat er mitbekommen, wie sich der Nachbar mit Jancsis Großmutter unterhalten hat. Sie kennen sich gut, leben seit Jahrzehnten hier in ihren kleinen, aus gebrannten Lehmziegeln erbauten Häuschen in der Puszta und sind an sich gute Nachbarn. Auch wenn die Nagyi, die Großmutter, dem Pista Bacsi gelegentlich gern aus dem Weg geht. Vor allem, wenn wieder einmal schauerlich schräg grölender Gesang über die einsame Puszta tönt. „Na, da war er wohl wieder mal bei Gyuri in der Kocsma. Der trinkt halt gern mal einen über den Durst.“ Gestern Abend war der Pista Bacsi nicht betrunken gewesen. Nur verbittert und böse, so wie er es schon seit Jahren ist. Die Großmutter fragte freundlich, ob sie ihm denn morgen zu Heiligabend ein Stück Weihnachtsbeigli hinüberschicken dürfe, wie es Brauch ist in der Puszta. Da fuhr er sie wütend an: „Geht mir mit eurem ganzen Weihnachtsgedöns. Ich will meine Ruhe haben. Ihr müsst immer alles übertreiben. Weihnachtsgebäck für die Nachbarn, phhh, wie ich euch kenne, beschert ihr womöglich auch noch eure Viecher.“ Ruhig erwiderte die Großmutter: „Ja, auch das ist seit jeher Brauch, in der Heiligen Nacht bekommen alle am Hof etwas besonders Gutes, der Hund, das Pferd, die Ziegen und Schweine…“ „Vergiss die Hühner nicht, du verrücktes Frauenzimmer!“ Und damit lässt er sie am Zaun stehen und stapft durch den Schnee zurück in sein leeres, kaltes Haus.
Jancsi hat das Gespräch mit angehört und sein kleines, weiches Herz wird ihm schwer. Er liebt alle Tiere, und zu wissen, dass die armen Tiere des Nachbarn sicher auch nicht das kleinste Extra an diesem so wunderbaren Tag haben werden, schmerzt ihn. Heimlich stibitzt er aus der Futterküche etwas von den Leckereien, die seine Mutter schon für die Bescherung der Tiere bereitgelegt hat. Da ist so reichlich von allem, dass es bestimmt nicht auffällt, wenn er ein klein wenig abzweigt, um den armen Tieren am Nachbarhof eine Weihnachtsfreude zu machen. Leider sind die Tiere aber zu sehr erfreut und geben ihrer Freude lautstark Ausdruck. Angelockt von dem ungewöhnlichen Tumult im Stall taucht der Pista Bacsi plötzlich auf und erwischt den Jancsi, als er gerade dem alten Ackergaul eine Möhre ins Maul schiebt. Zum Glück ist der Pista Bacsi groß und schwer und der Jancsi klein und flink, und während der Bacsi noch tief Luft holt, um ordentlich brüllen zu können, ist der Junge schon zum Stall hinausgeschlüpft und rennt nach Hause, als ob der Leibhaftige hinter ihm her sei. Nun hockt er bei Bodri und weint seinen Kummer in das raue Fell. So findet ihn seine Mutter. Sie führt ihn erst einmal ins Haus, damit er sich aufwärmen kann, und erfährt dann die ganze Geschichte.
„Es war nicht recht von dir, die Tiere zu füttern. Man füttert keine fremden Tiere. Du weißt doch gar nicht, was sie fressen dürfen. Stell dir mal vor, das alte Pferd hat keine Zähne mehr und kann den Apfel – oder was du ihm gegeben hast – nicht beißen. Das arme Tier könnte daran ersticken. So was darfst du nie wieder tun. Auch wenn ich weiß, dass du es nur aus Liebe und Gutherzigkeit getan hast.“ „Was hat er denn getan?“ erkundigt sich der Vater, der gerade die Stube betritt. Sein Gesicht wird ernst. „Nun, mein Sohn, da werden wir beide jetzt mal zum Pista Bacsi hinübergehen. Ich werde ihm sagen, dass er meinen Sohn nicht so anzubrüllen hat. Und du wirst dich entschuldigen. Dann ist die Sache aus der Welt geschafft.“ Jancsi zögert. Er hat kein großes Verlangen danach, dem Bacsi wieder gegenüber zu stehen. Aber wenn der Papa dabei ist… Nun gut. Sein Papa ist groß und stark, der wird dem Pista schon was erzählen, wenn der frech wird. Als sie das Haus verlassen, drückt ihm die Nagyi ein kleines Paket in die Hand. „Da. Der Weihnachtsbeigli. Und eine Flasche Wein ist auch dabei.“ „Bist du sicher, dass er uns das nicht hinterherwirft?“ fragt der Vater. „Den Beigli vielleicht, aber nicht den Wein“, schmunzelt die Nagyi. Und wirklich sitzen Jancsi und sein Vater kurz darauf in der kahlen, lieblos eingerichteten Küche des Nachbarn. Die Männer trinken den Wein, vor Jancsi steht ein Glas Milch. „Ich kann halt mit diesem ganzen Weihnachtskram nichts anfangen“, will sich der Pista verteidigen. „Seit des dem Herrgott in seiner unermesslichen Güte“ – hier spuckt er böse auf den ohnehin sehr schmutzigen Dielenboden -„gefallen hat, mir auch noch meine liebe Frau zu nehmen, habe ich kein Weihnachten mehr gehabt. Als meine Marika noch lebte, ja, da war es anders. Aber jetzt…“ Und zu Jancsis Bestürzung fängt der Pista Bacsi plötzlich an zu weinen. Der große, böse Pista Bacsi weint wie ein kleiner Bub. Jancsis Vater sagt leise zu ihm: „Schau, Pista Bacsi, ich kenn dich doch schon, als ich noch ein kleiner Bub war, grad wie unser Jancsi heute. Und ich weiß noch, wie oft ich bei euch im Garten war, die Marika Néni hat mir immer etwas zugesteckt, und du warst gut gelaunt und fröhlich. Seit dem Unglück hast du dich ganz zurückgezogen. Du willst mit niemandem mehr zu tun haben. Das haben wir respektiert. Aber jetzt sehe ich, dass du selbst am meisten darunter leidest. Merkst du das nicht?“ „Na, du hast gut reden. Du hast eine schöne Wohnung in der Stadt, hast Arbeit, eine liebe Frau und euren Jungen hier.“ Der Alte hebt die Hand und streicht dem Jancsi unbeholfen mit einer rissigen Hand über den Kopf. „Du bist ein guter Junge. Mit einem guten Herzen. Wie mein Gábor damals.“ Erneut schüttelt ihn lautes Weinen. Jancsi schaut den Vater groß an. Leise sagt dieser: „Gàbor war sein Sohn. Er ist vor vielen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. An Heiligabend.“ „Ist er deshalb immer so böse?“, fragt er flüsternd. „Und will er deshalb nichts von Weihnachten wissen?“ „Ja, genau so ist es.“ „Aber…“, Jancsi denkt scharf nach, das kleine Gesichtchen ganz angespannt vor Anstrengung, die richtigen Worte zu finden. „Aber das darf er nicht. Da wird doch nur alles immer Schlimmer.“ „Sag ihm das. Vielleicht hört er auf dich.“ Vorsichtig nährt sich der Junge dem weinenden Alten und legt seine kleine Hand auf die zuckende Schulter. „Du, Pista Bacsi, bei uns drüben ist es immer sehr schön an Weihnachten. Warum kommst du denn nicht einfach zu uns?“
Der Pista Bacsi hebt den Kopf und sieht Jancsis Vater an. Der nickt ihm aufmunternd zu. „Ich will euch euer Fest nicht verderben.“ „Du verdirbst uns unser Fest nicht. Es wäre uns verdorben, wenn wir wüssten, dass du allein und traurig hier sitzt.“ Eifrig nickt Jancsi. „Ja, da könnte ich nicht froh Weihnachten feiern, weil ich immerzu an dich denken müsste, und wie traurig du bist.“ Da lächelt der Alte unter Tränen. „Mein guter Junge. Ja. Sag deiner Nagyi, dass ich später gerne auf eine Stunde zu euch rüberkomme. Aber erst gehe ich noch auf den Friedhof.“ Viele Stunden später liegt der kleine Jancsi in seinem Bett, auf dem Kindergesichtchen ist noch das selige Lächeln, mit dem er eingeschlafen ist.
Es war so ein schöner Abend gewesen. Friedlich und fröhlich zugleich, sogar der Pista Bacsi hatte gelacht und gescherzt. Da steht plötzlich der Bodri an seinem Bett. „Jancsi, lieber Jancsi, ich möchte dir heute danken. Im Namen aller Tiere hier am Hof und auch beim Nachbarn drüben. Du hast mit deiner Gutherzigkeit heute Großes bewirkt. Du hast uns alle reich beschenkt, aber am reichsten hast du den Pista Bacsi beschenkt. Er hat endlich wieder zurück ins Leben gefunden. Er hat sogar all seinen Tieren eine Weihnachtsbescherung gegeben, so wie es früher immer seine liebe Frau gemacht hat. Du hast die Bitterkeit aus seinem Herzen vertrieben. Gesegnet seist du, kleiner Jancsi.“
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